Bevor es zu einem Projekt los geht, steht bei uns immer eine Vorrecherche an. Man kontaktiert verantwortliche Stellen, trägt sein Anliegen vor, versucht für das Problem zu sensibilisieren und irgendwann verabredet man die organisatorischen Details.
Aber dieses Mal konnte unsere Irritation nicht größer oder sagen wir, nicht besser ausfallen. Weder die kommunalen Behindertenbeauftragten noch die Ansprechpartner im Großen Hafen und bei den Reedereien in Lübbenau wollten ein Problem verstehen. Sie behaupteten alle, es gäbe gar kein Problem. Assistenzhunde kommen selbstverständlich und ohne Maulkorb mit und überall rein.
Als Hannah sich am Telefon wieder gesammelt und ihre Begeisterung kund getan hatte, verabredeten wir uns trotzdem vor Ort. Wir wollten zum einen prüfen, ob es wirklich so eine herzliche Selbstverständlichkeit gibt und herausbekommen, woran das liegen könnte. Und wenn wir ehrlich sind, wollten wir auch mal das Gefühl von Leichtigkeit haben, wie es überall sein könnte in ein paar Jahren.
Da wir die Strecken nicht abschätzen konnten und auch noch ins Freilichtmuseum Lehde wollten, nahmen wir sicherheitshalber den Aktivrolli mit. Die körperliche Belastung ist aber minimal. Sehr kurze Wege und viele Sitzgelegenheiten.
Es gibt tatsächlich barrierefreie Zugangsmöglichkeiten auf einen Kahn, wenn man sich anmeldet. Größere Rollis bitte im Hauphafen erfragen. So einen leichten Aktivrolli verlädt aber vermutlich jeder nette Spreewaldkapitän, wenn man nicht gerade zur schlimmsten Stoßzeit unangemeldet aufschlägt. Wie das funktionierte, seht ihr auf den Bildern: Tisch raus, Rolli rein. “Die Hunde… ach ja, legen se wat unter, dann können die auf die Bank”.
Wenn dieser Tag irgendetwas Negatives haben könnte, waren es unzählige Mücken an windstillen Stellen. Da kann der gelassenste Assistenzhund ganz schön geprüft werden. Also Mückenschutz nicht vergessen. Wir haben sogar einen Sprüher auf die Kenndecken getan…
Ansonsten war es so, wie es die Recherche vermuten ließ. Etwas in Zeitnot verpassten wir den Haupthafen, stiegen also an einer Nebenstelle ein. Sehr nett wurde sofort eine Lösung für den Rolli gefunden, die Assistenzhunde waren kein Thema, gar keins. Und dann tauchten wir ein in die Stille und Langsamkeit. Der Spreewaldkahn hat mit dem Bau der Straßen zwar seine Bedeutung als Hauptverkehrsmittel verloren, aber es gibt nach wie vor Ecken, die man nur mit dem Kahn erreicht. Und in der eisfreien Zeit wird im Zustellbezirk Lehde die Post mit einem Kahn gebracht.
Ziel unserer Kahnfahrt war das Freilichtmuseum Lehde. Wir waren mit Museumsdirektor Stefan Heinz verabredet, der einem Museumsverbund vorsteht. Er zeigte sich irritiert, dass man auf die Idee kommen könnte, Assistenzhunde nicht in ein Museum zu lassen. Wir erzählen von all den Bedenken, die wir anderenorts schon ausräumen mussten. Herr Heinz berichtet von seinen Erfahrungen, von einer ganz anderen Sicht. Im Museum Senftenberg dürfen alle Hunde an der Leine mit. Er hatte entschieden, den Besuchern zuzutrauen, dass niemand dem Museum schaden möchte. Seine Erfahrungen nach vielen Jahren sind bis auf ein oder zwei kleine Ausnahmen sehr positiv. Danke, Herr Heinz!
Dass man im Freilichtmuseum Lehde mit Assistenzhund wirklich in jedes Haus (und wir reden hier von seeeeehr alten Häusern mit vielen Ausstellungsobjekten frei im Raum) darf, verwundert jetzt sicher niemanden.Wir waren wirklich gern gesehene Besucher. Blindenführhundhalter sollten besser eine Assistenz an ihrer Seite haben. Die Häuser haben teilweise sehr niedrige Eingänge und Stufen. Der Blindenführhund kann ja unmöglich beides gleichzeitig anzeigen.
Unser Kahn holte uns pünktlich wieder ab. Wir hatten noch eine Verabredung in der Touristeninformation mit Frau Fürll. Auch hier rennen wir offene Türen ein. “Der Tourismus soll alle Menschen mitnehmen und wenn da ein Assistenzhund dazu gehört, natürlich auch den.” Ich merke, wie die Erschöpfung des wunderbaren Tages mich ergriff und dachte bei dem Satz, dass ihr ein Orden gehört. Ihr und all den anderen Menschen, denen wir begegnet waren. Die so ganz selbstverständlich inklusiv denken und handeln. Dabei ist die Region eher für andere Tendenzen aus den Medien bekannt. Wir reden noch über das Problem, dass es oft schwer ist, eine Übernachtungsmöglichkeit mit Assistenzhund zu finden. Frau Fürll nimmt das mit in eine andere Runde, will sensibilisieren und ist sehr optimistisch.
Es war ein Tag voller Selbstverständlichkeit. Das entspannte uns. Wir merkten zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, nicht jederzeit mit einer Zutrittsverweigerung rechnen zu müssen. Es gab kein Zauberkonzept, das all die Menschen und Verantwortlichen gemeinsam hatten. Es war eher die Klarheit, mit der gelebt wird: “Wenn man auf einen Assistenzhund angewiesen ist, kommt der halt mit.” Zum Abschied bekamen wir jeder noch eine Spreewaldgurke für den Weihnachtsbaum geschenkt. Wir werden sie hüten, dass sie nur nicht zerbricht, denn sie wird uns die Erinnerungen wachrufen an einen Tag, der hoffentlich ein kleiner Ausblick in eine andere Zukunft war,
Danke an all die Menschen, an Herrn Heinz, an Frau Fürll und an die Aktion Mensch. Eine Spreewaldkahnfahrt mit Assistenzhund können wir uneingeschränkt empfehlen.
Die Aktion „Assistenzhundfreundliche Kommune“ wurde ermöglicht durch Förderung der Aktion Mensch.
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