Wenn ein Weltkulturerbe 37 Fußballfelder groß ist, auf über vier Millionen Holzpfählen im Hamburger Schlick steht, von der Norderelbe durchflossen wird, von 1883 bis 1927 als etwas gebaut wurde, was man heutzutage Logistikzentrum nennen würde, mag das schon erstaunen. Aber das alles wird getopt von dem geschlossenen architektonischen Bild in rotem Backstein mit neogotischen Formen. Die Nüchternheit und Funktionalität eines Speichers wird von den Türmchen, vielen Giebeln und Kuppeln nicht zugelassen. Selbst die Seilwinden wirken eher romantisch. Die Speicherstadt ist schön. Heute ist sie das größte zusammenhängende Speicherensemble der Welt. Nicht alles konnte nach dem Krieg wiederaufgebaut werden, aber der Gesamtcharakter wurde erhalten._._._._._


Uns empfängt Hamburger Wetter, grauer Himmel, Nieselpiesel. Die Speicherstadt wird gleich bei der Anreise zur Herausforderung. Parkraum direkt an den Attraktionen ist rar, daher eher in Parkhäusern zu finden und mit z.t. erheblichen Wegen verbunden. Und egal, wie man es anstellt, die Speicherstadt muss man sich irgendwie erlaufen. Rollifahrer stehen vor einer Challenge, auch weil das historische Pflaster und die mitunter sehr schmalen Bürgersteige Improvisationstalent erfordern. Der Assistenzhund wird in der Speicherstadt selten einen Ampelknopf drücken können. Die sind nämlich sehr hoch angebracht, denn Hochwasser ist einfach ein Stück Normalität. Es gibt mitunter Stege und Brücken jüngerer Zeit, die besser mit Rolli passierbar sind. Sie liegen über dem Niveau der älteren Brücken und historischen Fußwege.


Das zweite Thema, was uns stets beschäftigt, ist die Suche nach geeigneten Grünflächen für Mascha. Jeder Hund muss mal müssen. Der Sandtorpark ist eigentlich für Hunde gesperrt. Mangels anderer Flächen, nutzen wir ihn trotzdem.
Wer motorisch eingeschränkt ist, kann die Speicherstadt auf dem Wasser erkunden. Wir brechen mit der Firma Rainer Abicht Elbreederei auf zu einer Lichterfahrt durch die Speicherstadt. Die Entscheidung fiel im Vorfeld, weil auf den Barkassen der Firma generell Hunde erlaubt sind und weil es eine wirklich unterhaltsame Lifemoderation gibt. Die Mitarbeiter sind freundlich. Fragt, ob ihr ausnahmsweise einen Platz an den Enden reservieren dürft, damit der Assistenzhund genug Platz hat und nicht im Gang liegt. Unter dem Tisch gequetscht, dürfte der Assistenzhund nur schwer arbeiten können und wäre der Gefahr von Fußtritten ausgesetzt.




Wir haben Glück, dass ein solcher Platz noch frei ist, als wir gute 30min vor Abfahrt an den Landungsbrücken eintreffen. Die Barkasse schaukelt. Ich suche einen Punkt am Horizont, das Theater von König der Löwen, und bereue es sehr, dass ich kein Antibrechpflaster dabei habe. Mascha bleibt tiefenentspannt. Als wir ablegen, verschwindet das Schaukeln. Ich entspanne mich und lasse mich einfangen von den Lichtern des Hafens und schließlich von der geheimnissvollen Enge der Speicherstadt mit ihren Geschichten. Mascha und ich geben eine ganz klare Empfehlung. Zum Schluss kommt der Kapitän. Er würde gern Mascha adoptieren. Wir lehnen beide ab, aber es freut mich sehr, dass wir gern gesehene Gäste sind.
Was sich heute in der Speicherstadt befindet? Ungefähr 20% der Fläche macht heute das größte Orientteppichlager der Welt aus. Ansonsten finden sich in der Speicherstadt viele Museen. Alle, die wir besucht haben, waren sehr entspannt, was den Besuch mit Hunden betrifft.
Im Speicherstadtmuseum bekommt man einen Überblick über die Geschichte dieses Sadtteiles. Es wird begreifbar, wie groß die wirtschaftliche Bedeutung einst war, aber auch wie hart die Arbeitsbedingungen und zum Teil auch das Leben der Familien in den Kähnen gewesen ist. Das Museum ist in den Räumen nur Mieter. Die Barriere am Eingang konnte es nicht beseitigen. Dies ist aber auch der Besondersheit geschuldet, dass es in dem schmalen Treppenhaus noch ein Fluttor gibt. Wenn man die Stufen irgendwie hinauf kommt, kann man das Museum selbst barrierefrei genießen.


Das Spicy Gewürzmuseum lasse ich aus. Im Vorfeld gab es sehr netten Mailkontakt mit den Betreibern des Museums. Generell würden sie Assistenzhunde hinein lassen (aber auch hier gibt es keinen Aufzug, sondern einige Treppen), aber diese dürften tatsächlich nicht an die unglaublich geruchsintensiven Gewürze, die auch auf dem Boden stehen. Assistenzhunde, die mit der Nase arbeiten, würden sie das Museum nicht empfehlen. Das finde ich einen sehr wichtigen Hinweis. Abgesehen davon, dass diese enorme Intensität an Duft Mascha stressen könnte, will ich ihre Nase nicht irritieren.
Das Miniaturwunderland ist in den letzten Jahrzehnten die touristische Attraktion der Speicherstadt geworden. Hunde sind dort generell erlaubt, aber es ist dort fast immer sehr voll. So voll, dass es im Normalbetrieb mit Assistenzhund nicht zu empfehlen ist, Wenn ihr nicht anders könnt, nehmt Randzeiten, besonders in den Abendstunden, denn dann sind weniger Kinder- und Jugendgruppen unterwegs. Den ultimativen Tipp für einen Besuch gibt es weiter unten. Wir treffen uns vor der Eröffnung am frühen Morgen mit Niklas Weissleder. Er ist unser Ansprechpartner. Und so erleben wir das Miniaturwunderland ganz für uns. Man staunt wie ein kleines Kind, man lacht über den Humor in den kleinen Szenen, man lässt sich entführen rund um die Welt. Und ich kann den vielen Knöpfen nicht widerstehen, mit denen ich etwas in Bewegung setzen oder Häuser einstürzen oder Eisberge schmelzen lassen kann. Alle 15min wird es Nacht im Miniaturwunderland und erzeugt bezaubernde Szenen mit tausenden LEDs. Es wird wirklich dunkel. Man kann viele Stunden dort zubringen. Wir warten, wie es ist, wenn sie das Wunderland mit Besuchern füllt. An die Anlagen komme ich nicht mehr. Zu groß wäre die Gefahr, dass Mascha getreten werden könnte, denn die großen und kleinen Besucher sind fasziniert von den kleinen Welten um sie herum. Wir ruhen uns aus in den Sesseln, die es überall gibt. Das Miniaturwunderland ist vorbildlich barrierefrei. Das muss man besonders loben, weil die baulichen Gegebenheiten und das häufige Hochwasser echt eine Herausforderung darstellen. Die ganze Anlage ist eher ein visuelles Erlebnis, was sich taktil nicht erfahren lässt. Ich habe mich für Sollso, meinem Laufrad, entschieden, weil mir diese Höhe eine bessere Sicht ermöglicht. Auf alle Fälle sollte der Assistenzhund ein Leuchti (am besten im Blinkmodus) oder ähnliches tragen und eventuell eine Leinenbanderole mit UV-Reflektoren. So schützt ihr ihn besser vor versehentlichen Tritten und macht ihn in den “Nächten” gut sichtbar.







Wir haben mit dem Wunderland vereinbart, dass Menschen mit anerkanntem Assistenzhund an den Rollstuhlabenden teilnehmen können. Die finden alle 4-8 Wochen an einem Montag statt. Bitte schaut auf die Webseite des Miniaturwunderlandes. Der nächste Rollstuhlabend ist am 26. März 2025. Ich denke, dass dies eine super Option ist. Generell sind die Mitarbeiter des Miniaturwunderlandes unkomplizirt und sehr hilfsbereit. Fragt nach, wenn ihr Hilfe braucht.
Wir finden, dass das Miniaturwunderland zu einem Besuch der Speicherstadt dazu gehören sollte.
Wer danach noch Energie übrig hat, könnte ins Kaffeemuseum der Familie Burg gehen und zuvor einen köstlichen Kaffee trinken oder aber ins Wasserschloss der Speicherstadt, in dem ein Teekontor eingezogen ist. Dort kann man sich beim Teeverkosten gut aufwärmen.




An sich ist es mit Zutrittsrechten in der Speicherstadt erfreulich entspannt. Wenn da nicht, also wenn es nicht eine fast schon skurrile Ausnahme gäbe. Das Dialoghaus Hamburg, was sich auf vorbildliche Weise der Inklusion verschrieben hat und geprüft barrierefrei ist, lässt mich mit Assistenzhund nicht hinein. Wie entdecken es eher zufällig und sind neugierig geworden. Erst scheitere ich mit Mascha an den schmerzhaften Gittern mit Dornenkranz über so eine lange Strecke, dass Assistenzhunde nicht schmerzfrei hinüber laufen können. Dann erklärt man mir, dass der Dialog im Dunkeln nicht ginge, weil es dort Schwarzdunkel sei, das würde kein Hund aushalten. Das kann ich nicht beurteilen, schlussfolgere aber, dass dann dort kein blinder Mensch mit Führhund arbeiten kann, denn diese Veranstaltungen leiten Blinde. Ich erkläre an der Info, warum ich in der Speicherstadt sei und dass es mir um Zutrittsrechte für Assistenzhunde gehe. Dann frage ich nach dem Dialog im Stillen, wo man erfahren kann, was Gehörlosigkeit bedeutet. Schließlich werde nur ich meiner Hörfähigkeit beraubt nicht Mascha. Das sollte funktionieren. Ich werde weggeschickt, solle mich bei der Leitung informieren, ob man da einen Assistenzhund hinein ließe. Das geht einfach gar nicht und das kann nicht geprüft barrirefrei bedeuten. Wie passt es zusammen, dass ich auf großartige Weise Behinderungen erfahrbar mache und darüber Verständnis schaffe, dann aber Menschen gar nicht konzeptionell bedenke, die aufgrund einer Behinderung auf einen Assistenzhund angewiesen sind und sie einfach ausschließe? Eine riesige Enttäuschung! Wir tragen Mascha wieder über die Gitter und sind einige Minuten schweigsam. damit haben wir nicht gerechnet.

Wer die Speicherstadt fühlen will, braucht Zeit. Wer kann, sollte sich über Brücken und durch Gassen treiben und immer wieder nach oben und zurück den Blick schweifen lassen. Und wenn nicht gerade Niedrigwasser ist, erfreut man sich an den Spoegelungen in den Fleeten. Die Speicherstadt ist schön. Das schrieb ich schon. Sie ist einfach schön.
Wir danken der Aktion Mensch, die den Besuch der Weltkulturerbestätten unterstützt. Und danke an das Miniaturwunderland, dass ihr diese Aktion unterstützt.
