Als der Plan reift, der Residenz in Würzburg einen Besuch mit Assistenzhund und mit offenen Augen abzustatten, schrecke ich schon vor dem sehr rigorosen Tierverbot in der Besucherordnung zurück. Zugegebenerweise bin ich eingeschüchtert. Nirgendwo ein Hinweis zu Assistenzhunden. Ich greife schließlich zum Hörer und rufe dort einfach an. Das sei gar kein Problem, versichert man mir. Assistenzhunde dürften natürlich rein.
Bei mildem Herbstwetter und schüchternem Sonnenschein fahren wir in die Stadt und die vielen Türme ermutigen uns zu einem Ratespiel, was wohin gehören könnte. “Ach ist das schön!”, höre ich mich sagen. Im ersten Anlauf finden wir einen Parkplatz direkt vor der Residenz. Wer mobilitätseingeschränkt ist, wird verstehen, wieviel Druck sofort von einem abfällt, wenn man nicht noch weite Wege laufen muss, die Energie verbrauchen.
Die Sonne lädt uns in den Hofgarten der Residenz ein. Assistenzhund Mascha trifft dort auch auf andere Hunde, denn der Hofgarten ist für alle zugänglich. Verschiedene Wege laden zum Entdecken, märchenhafte Plätze zum Verweilen ein. Auf unterschiedlichen Ebenen präsentiert sich ein Hochgenuss der Gartenbaukunst des Rokoko. Ich bin mit dem Sollso, einem Carbonlaufrad, unterwegs. Eine gute Wahl, denn mit dem Rolli wäre ich nicht auf die höchste Ebene gekommen. Ob mein Zuggerät die Steigung auf die mittlere Ebene gepackt hätte, wüsste ich auch nicht sicher. Schaut bitte unbedingt auf die Internetseite der Residenz, dort sind Steigungen und Beläge der Wege sehr gut beschrieben. Es gibt sogar einen Übersichtsplan mit Wegekategorien für Rollifahrer. Im Hofgarten gibt es so viele freundliche Menschen, die Hilfe anbieten bei Hindernissen oder wahlweise Mascha fotografieren wollen. Das muss ihre royale Ausstrahlung sein. Leser des Blogs wissen ja schon lange, dass sie in Wirklichkeit eine Prinzessin ist 😉
Von ganz oben genießen wir die Symmetrie des Gartens und verspüren gleichzeitig den Wunsch die geschlossenen Gartenbereiche weiter unter zu erkunden und in die verwunschenen Laubengänge zu verschwinden.
Die Zeit verfliegt. Als wir den Kiesweg zum schmiedeeisernen Torgitter zurück laufen, klingt das definitv royal unter unseren Schuhsohlen und Mascha hat für einen kurzen Moment die überdimensionale Krone des Tores auf dem Kopf, als ich mich zu ihr runter beuge.
Packt Euch eine Decke ein, damit Ihr mit Eurem Assistenzhund auf den vielen Bänken entspannen und den Blick genießen könnt. Es ist wirklich schön.
Ich habe einen ultimativen, leider nicht mit Rolli befahrbaren Pausentipp. Vom Springbrunnen aus circa 200 m in Richtung Main befindet sich ein kleines Cafe – das Casa. Es ist studentisch geprägt, hat unverschämt gutes Eis (z.B. Carrot-Cake), kleine Speisen und Kaffee. Die Auswahl veganer Speisen ist toll und der Assistenzhund kann ein schönes Schläfchen halten, während man deutlich mehr Kalorien zuführt, als es der Plan war.
Wir haben uns am nächsten Nachmittag zu einer Spezialführung “Macht und Magen” angemeldet. Vorbei am Hundeverbotsschild geht es zur Kasse der Residenz. Alle sind super freundlich. Ich werde professionell nach Maschas Ausweis gefragt. “Sollso” wird als Hilfsmittel akzeptiert. Robert Siegert nimmt uns vom ersten Moment mit in eine Zeit mit bis zu 40 Gängen und schließlich auch mit in den Kaisersaal, in dem getafelt wurde. Er achtet stets darauf, dass alle in Hör- und Sichtweite sind. Sein riesiges Wissen vermittelt er so, dass sich vor unseren Augen ein Festmahl aufbaut. Faszination! Uns begegnen auch andere Führungen. Es ist so ein Unterschied, wenn eine Gruppe nicht nur an Audioguides hängt! Lebendiger und persönlich zugeschnitten sind Führungen mit einem Menschen, der gern seine Begeisterung teilt.
Wir nutzen einen Aufzug ins Obergeschoss, während die Gruppe eine Treppe nimmt. Das ist ganz unkompliziert. Es gibt viele Sitzgelegenheiten in der Residenz. Dass wir nur wenige Stationen während der Führung haben, dafür länger verweilen, finde ich für Mascha sehr viel angenehmer als ein ständiges Stopp and Go. Mascha rollt sich auf ihrer Decke zusammen und nutzt die Erklärungen für ein Nickerchen, während ich auf Sollso sitze. Schließlich treten wir ins Treppenhaus und ich bin so berührt von der Schönheit des 677qm großen Deckengemäldes. Es ist das größte Deckenfresko der Welt. Herr Siegert hält in seinen Erklärungen inne, als er sieht, wie ich mit meiner Fassung ringe. “Aha, sie sehen es heute zum ersten Mal.” Er weiß um diese Wirkung, die selbst dem nüchternsten Zeitgenossen ein kindliches Staunen entlockt, dass mindestens einen Moment länger sichtbar bleibt, als es einen lieb ist. Just in dem Moment, als die Fassung unsicher zurück kommen will, wirkt dieses einzigartige Blau und schickt sie noch mal weg. Wie soll man eine Farbe beschrieben? Ein Blau beschreiben? Es strahlt, wie es sonst nur Gelb mit seinen Anverwandten kann. Es geht geht in die Tiefe, wie ein Schwarz. Es erheitert wie ein Rose´… es ist so umfassend, so ein Blau, dass manchmal Menschen umkippen, weil sie so lange den Kopf in den Nacken legen und den Blick nicht mehr lassen können. Woher ich das weiß? Das ist eine andere Geschichte.
Am nächsten Tag bin ich mit Frau Streichfuss von der Schlösserverwaltung verabredet. Ich hatte sie um ein Gespräch gebeten rund um das Thema Assistenzhund. Frau Streichfuss war sofort am Thema interessiert. Jetzt berichtet sie von den Erfahrungen mit Assistenzhunden und anderen tierischen Begleitern. Auch von der Unsicherheit durch fehlende internationale Dokumente. Wir reden über schwierige Momente. Frau Streichfuss ist offen. Manches kann ich erklären, aber manches ist einfach kompliziert, da können wir beide bei bestem Willen gar nichts ändern. Ich sage ihr, wie wenig “behindert” ich mich in der Residenz mit Mascha gefühlt habe. Wie vieles sehr gut gelungen ist, wie herzlich die Mitarbeiter waren. Ich freue mich wirklich darüber. Der Eintrag auf der Website zum strikten Mitführverbot von Tieren bekommt jetzt eine Ausnahme, damit niemand mehr verschreckt sein muss. Das braucht es nämlich gar nicht.
Tipps:
Die Residenz kann man auch ohne Führung besichtigen. Die normalen Führungen sind mit Assistenzhund von der Konzentrationsdauer evt. zu lang. Man kann dann einfach auf eigene Faust den Rest anschauen. Sonderführungen sind kürzer.
Es gibt unter der Rufnummer 0931372650 die Möglichkeit extra Führungen für Gruppen bis zu 25 Personen mit und ohne Behinderung anzumelden. Das kostet 140 Euro. Besonders für blinde Menschen, die in einer Gruppe reisen, könnte da interessant sein, weil zur Zeit daran gearbeitet wird, dass die Führungen von blinden Menschen gemacht wird und damit optimal auf diese Zielgruppe zugeschnitten ist. Macht das bitte mit etwas Vorlauf. Der Telefonkontakt dorthin war sehr freundlich.
Die Sonderführung “Macht und Magen” ist ein ganz heißer Tipp. Es gibt aber auch Kinder- und Familienführungen.
Schneidet das Fell zwischen den Pfoten und kürzt die Krallen vor dem Besuch für einen besseren Gripp. Das alte Parkett kann schon mal rutschig sein.
Nehmt evt eine Decke mit. Manchmal ist der Boden kalt und wie haben mitunter 20min an einer Stelle gestanden.
Die Treppen hinab habe ich mit einer gereichten Hand bewältigt. Die Tritthöhe ist sehr gering. Sollso wurde getragen. Ein Geländer gibt es nicht.
Die Festung Marienberg oberhalb von Würzburg ist mit dem Auto gut erreichbar. Es ist eine Mischung aus der Traumwelt von Dornröschen und der Wuchtigkeit einer Festung. Der Blick auf Würzburg ist toll. Leider nur eingeschränkt barrierefrei.
Der Citytrain startet am Parkplatz der Residenz und vermittelt einen guten Überblick über die Würzburger Highlihts. Wenig Platz bot der Fußraum für Mascha, sie saß mit Decke auf der Bank. Solltet ihr lärmende Betriebsausflüge im Wagen haben, dürft ihr “STOPP” drücken. Das gibt eine Ansage und dann dürfen die beim nächsten Mal laufen. Die Erklärungen der Tour bieten einen groben Überblick.
Die alte Mainbrücke zieht magisch an. Mit einem gutem Wein verweilen Touristen und Einheimische gern dort. Mit Hund würde ich es nicht empfehlen, weil doch viele kleine Scherben auf der Brücke liegen.