Deutschland hat weltweit den Ruf, besonders gründlich und genau zu sein. Unvorstellbar scheint es da, wie improvisiert der Assistenzhundsektor in Deutschland ist. Darunter leiden nicht nur AssistenzhundhalterInnen – auch Hund, AusbilderIn, Öffentlichkeit und FörderIn können schlechte Erfahrungen machen.
“Wie kann es sein, dass in einem so wichtigen Bereich Improvisation und Willkür herrschen?” fragte ich mich. “Warum fehlen selbst grundlegende Strukturen wie ein Berufsweg für AusbilderInnen? Warum fehlen offizielle Anerkennung und Unterstützung für Assistenzhundteams?”
Was Assistenzhundteams gemeinsam bewirken, konnte ich in unserer Zeit in Kalifornien miterleben. Dank einer großen Assistenzhundschule in der Nachbarschaft waren Assistenzhundteams ein alltäglicher Anblick.
Mich faszinierten die oft ganz neuen Perspektiven, die Assistenzhunde möglich machten – nicht nur für ihre Menschen, sondern auch deren Familien.
Intensive Recherche ließ die Unruhe über die Missstände kontinuierlich in mir wachsen.
Immer wieder hatte ich meine Gedanken dazu verjagt, so wie man eine lästige Fliege vertreibt. Ich war ja weder Hundetrainerin noch Betroffene, sollten doch andere eine Lösung finden! Doch meine Gedanken kamen immer wieder auf die Kernfragen zurück.
Existierende Organisationen vertraten entweder HalterInnen oder AusbilderInnen, mit entsprechend einseitigem Blickwinkel. Die, die eine Lösung herbeiführen könnten, waren oft durch die Praxis abgelenkt oder hatten resigniert.
Die improvisierten Fundamente hatten zudem aggressive SelbstdarstellerInnen auf den Plan gerufen, die die Gemeinschaft vergifteten. Verbesserungsinitiativen sind immer wieder ins Stocken geraten.
Was wäre zu tun, um bleibende Veränderung zu bewirken?
Und – darf ich das? Einen Sektor verändern zu wollen, mit dem ich nicht direkt verknüpft bin?
Langfristige Lösungen beruhen darauf, dass man die Bedürfnisse aller Beteiligten im Auge behält – in diesem Fall also neben den Betroffenen auch die des Hundes, der AusbilderInnen, der Öffentlichkeit und der FörderInnen. Denn dauerhaft kann das sich das Konzept nur entwickeln, wenn es für alle funktioniert.
Vielleicht ist es da kein Hindernis sondern Voraussetzung, nicht im Sektor verwurzelt zu sein? Vielleicht ist es gerade diese Unabhängigkeit, die Außenperspektive, die die Chance beinhaltet, Grundlegendes zu bewirken?
Ich bin Entrepreneurin und liebe es, Lösungen zu finden und zu gestalten. Seit zwei Jahrzehnten konzentriere ich mich dabei auf soziale Verbesserungen.
Mein Abstand zum Thema erlaubt mir, unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen. Das hilft mir, Fragen zu stellen, Brücken zu bauen, Lösungen auf den Weg zu bringen und mich dabei nicht vereinnahmen zu lassen.
Neben unserer Gemeinnützigkeit ist darum unsere Unabhängigkeit Pfotenpilotens höchstes Gut.
Anfangs dachte ich, die Lösung wäre ein Netzwerk von “guten” AssistenzhundausbilderInnen, die ihre Qualität nachweisen und auf dieser Grundlage gefördert werden. Ich musste mir bald eingestehen, dass diese Strategie dem Wunsch nach einer schnellen Lösung entsprang, das Problem aber nicht wirklich bei den Wurzeln packte: Es würde nur eine Form der Improvisation durch eine andere ersetzen.
In Wirklichkeit sind es ja die fehlenden Fundamente, die die Missstände verursachen!
Zufällig hörte ich von einer Ausschreibung des Social Impact Lab Frankfurt, einer Organisation, die Sozialunternehmern in der Start-Up Phase hilft.
Ich beschloss, es zu wagen – und wurde prompt mit einem „Andersgründer“-Stipendium (gefördert durch die KfW-Stiftung) unterstützt.
Am 20.07.2015 wurde Pfotenpiloten von zwölf Gründungsmitgliedern zum Leben erweckt – und für mich begannen intensive Jahre, die bei den vielfältigen Herausforderungen wie im Flug vergingen.
Die Flut der Projekte und der Unterstützung, die bald über uns hereinbrach, hat den Bedarf nach unserer Arbeit bestätigt.
Hier eine Auswahl aus den ersten Jahren:
- Interaktive Ausstellung Leben mit Assistenzhund, gefördert von der Aktion Mensch.
- Zutrittskampagne Assistenzhund Willkommen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellt Aufklärungsmaterialien und DogMap kostenfrei bereit und setzt sich im direkten Gespräch für Zutrittsrechte ein.
- EU-geförderte Evaluierungsphase für L.E.A.D., einen zukünftigen europäischen Berufsverband, der einen umfassenden, qualitativen Ausbildungsweg und Zertifizierung für AssistenzhundausbilderInnen anbieten wird.
- Ein innovatives Evaluierungsverfahren zur Anerkennung von Assistenzhundteams, das das Mensch-Hund-Team objektiv dokumentiert und begutachtet. Gefördert durch die Postcode Lotterie.
- Gründung der Stiftung Assistenzhund
- Entwicklung vielfältiger Partnerschaften, um konkrete Hilfen für Teams aufzubauen.
- Teilnahme am europäischen Standard CEN/TC 452, sowie vielfältige Gespräche auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.
- Umfangreiche Informationen auf dem Webportal – Gesetzessammlung, Bibliografie, Video-Sammlung und digitale Ausstellung.
Helfen Sie uns mit Ihrem Beitrag, die Vision eines assistenzhundfreundlichen Landes zu erfüllen!